Stoffentwicklung und Filmdramaturgie

Kategorie: TV

Serientipp: River

Auf arte läuft heute (!) der vierte, fünfte und sechste Teil der sechsteiligen Miniserie River.  Die britische Polizeiserie handelt von John River (Stellan Skarsgard), der in der ersten Folge konfrontiert wird mit dem gewaltsamen Tod seiner Kollegin Stevie. Die beiden waren ein eingeschworenes Team, aber jetzt muss er erfahren, dass Stevie mehr als ein Geheimnis vor ihm hatte. River sieht seine Kollegin weiterhin, wie ein Geist begleitet sie seine Arbeitstage, in denen er versucht herauszufinden, an was Stevie zuletzt ermittelt hat und vor allem, wie sie umgekommen ist. Er redet mit ihr, als wäre sie da, und das fällt allen auf, seiner Chefin, die ihn lange kennt und versucht ihn zu schützen, und seinem neuen Kollegen, der hin- und hergerissen ist, wie er mit seinem ver-rückten Vorgesetzten umgehen soll.  Also wird er zu einer jungen Psychologin geschickt, die herausfinden soll, ob er noch diensttauglich ist. Sie wird die einzige sein, der er sagt, dass er nicht nur Stevie sieht, sondern auch die anderen Toten aus seiner langen Polizeiarbeit. Entwickelt und geschrieben hat diese Serie die großartige britische Drehbuchautorin Abi Morgan ( „Die Eiserne Lady“, „The Hour“, „Suffragette“), eine der wenigen Autorinnen, die sowohl fürs Kino als auch für das britische Fernsehen arbeiten. Nicht nur Stellan Skarsgard in seinem Spiel zwischen Wahnsinn und Normalität ist brillant, auch seine Kollegen und nicht zuletzt seine verstorbenen Partnerin, die ihn unentwegt anspricht und provoziert, wirken authentisch und machen diese Serienwelt komplett. Bis zur Auflösung dieses komplizierten Falles hat River einen weiten Weg vor sich, jede Minute davon ist sehenswert.

Zu sehen am 8. Februar 2018 auf arte um 20.15 Uhr, in der arte- mediathek bis zum 3. März 2018 und aktuell auf Netflix.

 

 

 

Die besten Serien und Filme 2017

Zum Jahresende meine persönliche Best Of-Liste für 2017. Falls Euch zwischen den Jahren langweilig wird …

ONE MISSISSIPPI

Die zweite Staffel dieser genialen Serie ist im Oktober 2017 bei Amazon Prime erschienen, eine gute Gelegenheit, um sich die erste Staffel (2015) noch mal in Ruhe anzugucken. Komikerin Tig Notaro, die sich selber spielt, hat diese semiautobiographische Serie über ihr Schicksalsjahr entwickelt und mit Diablo Cody („Juno“, „Taras Welten“) den Piloten geschrieben.

Die erste Staffel beginnt mit dem Tod ihrer Mutter. Tig, lesbische Radiomoderatorin aus L. A., kommt deshalb in ihre Heimat Mississippi zurück. Sie hat gerade eine Brustkrebsoperation hinter sich und eine schwere Darmerkrankung. Nicht gerade der Stoff, aus dem Komödien sind, aber das genau gelingt hier. Wie Tig den Tod ihrer Mutter verarbeitet und sich in der verbliebenen Restfamilie zurecht findet mit Bruder Remy, der nicht richtig erwachsen ist, und Stiefvater Bill, der seine Katze über alles liebt und noch vor der Beerdigung der Mutter verkündet, dass sie jetzt gesetzlich keine Verwandten mehr sind, wird mit einem derart trockenen Humor erzählt, dass es eine Freude ist. In der zweiten Staffel geht es nicht mehr länger um Leben und Tod, sondern das Ganze entwickelt sich zu einer Familienserie und Tigs Liebesleben kommt in Schwung, als sie sich in die heterosexuelle Radioproducerin Stephanie verliebt.  ONE MISSISSIPPI ist eine der Serien, die das Thema #MeToo in der Medienbranche schon vorweggenommen haben, genauer, als man es sich wünschen würde, und das Thema wird zum Höhepunkt der zweiten Staffel. Diese  Serie ist sehr berührend, komisch und gefühlsmäßig eine Achterbahnfahrt, absolut sehenswert.

 

GODLESS

Western ist traditionell nicht unbedingt ein Frauengenre, aber diese Mini – Westernserie (7 Folgen) auf Netflix hat mich wirklich gepackt, vor allem Dank der großartigen Frauenfiguren, die gelernt haben, mit allen Mitteln zu überleben. Die zentralen Männerfiguren entsprechen genauso wenig dem Klischee, der Sheriff (Soot Mc Nairy) verliert sein Augenlicht und trifft nicht mehr beim Schießen, der Held Roy Goode (Jack O‘ Connell) lässt sich erst mal das Lesen beibringen, selbst Bösewicht Frank Griffin, großartig gespielt von Jeff Daniels, hat eine Backstory, die seine Brutalität und Unberechenbarkeit nicht entschuldigt, aber nachvollziehbar macht.

Roy Goode, der frühere Ziehsohn des Bösewichts  Frank Griffin, hat die Gang verlassen und landet durch Zufall im nur von Frauen bewohnten Ort „La Belle“. Hier darf er bleiben, solange er die Pferde von Alice Fletcher (Michelle Dockery) zureitet. Als Frank Griffin auf die Suche nach Roy geht und verkündet, dass jede(r), der (die) Roy unterstützt, von ihm und seiner dreißigköpfigen Gang getötet wird, schließen sich die Frauen unter der Regie der Schwester des Sheriffs  (Merrit Wever) zusammen, um es ihnen nicht zu leicht zu machen.  Autor und Regisseur Scott Frank, der schon lange als Drehbuchautor im Geschäft ist, erzählt eine Serie aus einer anderen Welt, ohne Smartphones und modernem Großstadtleben, statt dessen Landschaft, Weite, Pferde und Horizont, das macht allein schon filmisch Spaß.  Die Serie geht über das Genre des Westerns weit hinaus, sie ist ehrlicher und weniger verklärt. GODLESS bietet so viel Neues und Unvorhergesehenes, dass ich mit Spannung bis zum fulminanten Ende dabei war.

 

THE CROWN

Eine Serie über die britische Königin Elizabeth auf Netflix. Die erste Staffel beginnt mit dem Tod ihres Vaters und ihrer Krönung. Die großartige Hauptdarstellerin Claire Foy spielt den inneren Kampf zwischen Leidenschaft und Pflicht glaubwürdig und mitreißend. Ihrem Reifeprozess von der naiven Prinzessin zur repräsentablen Königin guckt man gerne zu. Peter Morgan, Erfinder und Autor der Serie, hat viele historische Ereignisse, aber auch die familiären Ups and Downs der königlichen Familie meisterhaft miteinander verwoben. Die beste historische Serie seit „Downton Abbey“!

 

MANCHESTER BY THE SEA

Der einzige Kinofilm, der es dieses Jahr auf meine Bestenliste geschafft hat, ist schon im Januar im Kino gelaufen und inzwischen auf DVD erhältlich.  Der Eigenbrötler Lee Chandler erhält die Nachricht, dass sein Bruder überraschend gestorben ist. Er kehrt in seinen Heimatort Manchester by the Sea zurück, um die Beerdigung zu organisieren und nach seinem  sechzehnjährigen Neffen Patrick zu sehen.  Als er vom Notar seines Bruders erfährt,  dass er die Vormundschaft für seinen Neffen übernehmen soll, gerät er in große Gewissenskonflikte. Die Begegnung mit seiner Ex- Frau macht ihm endgültig klar,  dass er sich seiner tragischen Vergangenheit stellen muss, um eine Entscheidung zu treffen. Casey Affleck spielt diesen Mann, der an seiner Schuld zerbrochen ist und der jetzt verzweifelt versucht mit dem Wiederaufleben des alten Traumas umzugehen, mit all seiner Verlorenheit, Hilflosigkeit und Aggression. Drehbuchautor Kenneth Lonnergan erzählt eine Geschichte von Schuld und Verantwortung, die mir unter die Haut gegangen ist.

 

 

THE CENTER WILL NOT HOLD (Die Mitte wird nicht halten)

Zum guten Schluss ein Dokumentarfilm auf Netflix über die Autorin und Journalistin Joan Didion, der mich sehr beeindruckt hat. Ich kannte Joan Didion als Autorin ihres Buches „Das Jahr magischen Denkens“, das sie nach dem plötzlichen Herztod ihres Mannes geschrieben hat, und das eine ehrliche und schonungslose Auseinandersetzung mit Trauer und Tod und dem Weiterleben ist. Ihr Neffe Griffin Dunne hat jetzt diesen Dokumentarfilm über sie gedreht. Die vertraute Atmosphäre in den Gesprächssituationen und die Auswahl der Schwerpunkte spiegeln die Nähe zwischen Filmemacher und Protagonistin wider. Auch hier spielt der Tod ihres Mannes und die lebensbedrohliche Krankheit der Tochter und ihr späterer Tod eine große Rolle. Darüber hinaus wird Didions Leben als Journalistin und Essayistin in den Mittelpunkt gestellt, die bis ins hohe Alter mit dem Schreiben versucht, die Welt und das Leben zu verstehen.

 

Serienhighlights: The A-Word

„The A-Word“ ist eine britische Familienserie (BBC, 2016), aber nicht harmlos-heiter, wie man es von deutschen TV-Serien gewöhnt ist. Nicht harmlos, denn hier geht es um etwas. Familie Hughes muss feststellen, dass ihr fünfjähriger Sohn Joe nicht nur ein bisschen anders ist als die anderen Kinder im Dorf. Seine fehlenden sozialen Fähigkeiten, seine spärlichen Reaktionen, seine Schweigsamkeit – all das lässt sich nicht mehr länger verstecken. Bis zum ersten Mal das vor allem in den Ohren der Mutter böse „A-Word“ (Autismus) fällt, vergeht eine Weile. Denn die Eltern sind natürlich die letzten, die verstehen, was mit Joe los ist. Statt heiter ist der Humor in dieser Serie abgründig, eher von der Sorte: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ (Wilhelm Busch).  Aber gerade das macht die Serie so unwiderstehlich.

 

„The A-Word“ ist eine Adaption der israelischen Serie „Yellow Peppers“ von Keren Margalit. Drehbuchautor Peter Bowker („Dr. Monroe“, ebenfalls absolut sehenswert!) hat selbst viele Jahre Kinder mit Lernschwierigkeiten betreut, er arbeitet gerne an Themen, die ihm am Herzen liegen. Und diese Authentizität merkt man der Serie in jeder Minute an.

Jede Folge beginnt mit dem immer gleichen Anfangsbild, der fünfjährige Joe geht mit Kopfhörern und einem Spielzeug in der Hand auf einer menschenleeren Straße, die durch eine raue, bergige Landschaft führt. Die Serie spielt im Lake District, in Cumbria. Diese karge und unwirtliche Landschaft bildet den dramatischen Background für die Serie und für die Entwicklung dieser Familiengeschichte.  Wir hören die Musik aus Joes Kopfhörern, oft einen seiner Lieblingssongs: „World, shut your mouth.“  Ein blauer Bulli kommt dem Kind entgegen und freundliche Menschen sammeln ihn auf und nehmen ihn mit zurück zum Haus seiner Eltern.

Die Musik und seine Kopfhörer haben eine existentielle Bedeutung für Joe. Joe kann alle Songs auswendig, er ist ein wandelndes Poplexikon. Sein Vater singt mit ihm und kann ihn beruhigen über die Songs, die sie gemeinsam so gut kennen. Die Kopfhörer sind sein Schutz gegen eine Welt, die er nicht versteht. Durch die Musik ist Joe mit der Welt verbunden und gleichzeitig schottet er sich ab, er hört die Geräusche der Welt nicht mehr und ist für sich.

Die Welt, das ist für den fünfjährigen Joe erst mal seine Familie.

Joes Mutter Alison ist schrecklich bemüht, aber sie begreift gar nichts, sie findet keinen Zugang zu ihrem Sohn. Sie hält es kaum aus, einen nicht „normalen“ Sohn zu haben. Sie zwingt Joe immer wieder zu Dingen, die ihn überfordern, und versucht ihn zu manipulieren. Ihr geht es immer nur um sich selbst, nicht wirklich um Joe. Sie kämpft wie eine Löwin, aber sie will vor allem, dass die anderen z.B. die Therapeutin oder Maya, die Babysitterin, für ihren Sohn da sind.

Joes Vater Paul hat einen Draht zu seinem Sohn gefunden, sie verbinden sich über die Musik, aber viel weiter geht sein Verständnis nicht, außerdem hat er noch ganz andere Sorgen. Er baut gerade sein eigenes Restaurant auf und überhebt sich dabei nicht nur finanziell.

Joes ältere Schwester Rebecca nimmt Joe, wie er ist, aber sie kommt in der Familie quasi nicht mehr vor, weil alles um Joe kreist.

Babysitterin Maya hat alles, was Joes Mutter nicht hat. Sie lässt ihn sein, wie er ist, sie findet eine eigene Sprache mit ihm. Als sie weggeht, wird das besonders deutlich: Sie spielt ihm ihre Musik vor und singt mit ihm, das ist ihr Abschied. Und der Blick der Mutter lässt ahnen, dass sie weiß, dass Maya etwas kann, was sie selbst nicht fertig bringt.

Joes Onkel Eddie ist gerade zurück aus der Großstadt, um die Familienbrauerei zu übernehmen, aber niemand traut ihm das wirklich zu. Als er zufällig die pubertierende Rebecca mit ihrem Freund erwischt, fühlt er sich fortan für sie verantwortlich, weil niemand sonst sich gerade interessiert für das, was sie macht.

Seine Frau Nicola hatte gerade eine Affäre mit einem anderen Mann, ihr Rückzug aufs Land ist auch ein Versuch, ihre Ehe zu retten. Sie ist Ärztin und die einzige, die Joe von Anfang an richtig einschätzt, was erst mal keiner hören will.

Joes Opa Maurice hat die Leitung der Brauerei abgegeben, funkt seinem Sohn Eddie aber immer noch dazwischen. Er liebt Joe, aber großes Einfühlungsvermögen ist nicht seine Sache. Er hatte seit dem Tod seiner Frau keinen Sex mehr, dafür geht er extrem viel joggen. Als er von seiner Musiklehrerin gefragt wird, ob er ihre sexuellen Bedürfnisse erfüllen kann, beginnt für ihn eine ganz neue Erfahrung.

In der dritten Folge kommt die neue Therapeutin von Joe, Maggie, in die Familie, um mit allen zu sprechen. Sie versammelt alle Familienmitglieder um einen Tisch. Und diese Gruppensitzung wird zum Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung der Familie. Nicht Joe, sondern alle anderen Familienmitglieder geraten auf den Prüfstand und Maggie legt die verschütteten Konflikte bloß. Joes Onkel fasst das Ergebnis zusammen: „So if Joe is ever going to communicate, we need to learn how to communicate ourselves.“

Und das beschreibt den Kern der Serie: es geht darum, wie in Familien miteinander kommuniziert wird oder vor allem nicht oder aneinander vorbei kommuniziert wird. Und die Situation von Familie Hughes mit ihrem autistischen Sohn ist nur eine außergewöhnliche, überspitzte Variante von all dem, was auch im normalen Leben passiert. Die Kunst ist, dass es dieser Serie  gelingt, diese Besonderheit in etwas Normales zu verwandeln. Man braucht keine autistischen Kinder zu haben, um die Konflikte in dieser Familie nachzuvollziehen.

Ich habe die Serie zufällig in der Bremer Stadtbibliothek entdeckt, für alle Nicht-Bremer die gute Nachricht, dass die DVD für 10,27 € auf Amazon erhältlich ist. Allerdings nur im englischen Original, aber mit Untertiteln geht es! Die zweite Staffel wird jetzt gerade in England ausgestrahlt und erscheint hoffentlich bald auf DVD.

Love, Nina

Und schon wieder ein kleines Juwel im aktuellen Fernsehprogramm entdeckt! Am kommenden Freitag, den 24.3.2017, startet die Comedy-Serie „Love, Nina“ um 20.15 Uhr auf ONE.

Nick Hornby –  von mir sehr geschätzter Romanautor  (About a boy, Slam) und Drehbuchautor (Der große Trip- Wild,  Brooklyn) –  gibt seinen Einstand als Fernsehautor und hat die lebensfrohe, humorvolle Comedyserie nach dem autobiographischen Roman von Nina Stibbe geschrieben.

Nina (Faye Marsay) kommt neu nach London und beginnt ihren Job als Nanny. Sie soll die zwei chaotischen Jungs der alleinerziehenden Lektorin Georgia (Helena Bonham Carter) beaufsichtigen. Über ihren turbulenten Alltag in dieser Familie schreibt sie an ihre Schwester nach Leicestershire. Ihre Briefe begleiten uns als Voice Over durch die Serie und zeigen uns, wie Nina die Welt sieht.  Die Konfrontation der chaotischen, liebenswerten Nina mit den intellektuellen Freunden von Georgia erreichen ihre Höhepunkte in den Begegnungen mit dem berühmten Theaterautor Alan Bennett, der als Gast oft bei der Familie zu Mittag isst und Ninas Kochkünste nicht  wirklich zu schätzen weiß. Ihre unorthodoxen, eher antipädagogischen Erziehungsversuche mit den beiden Jungs bieten ebenfalls genug Potential für Konflikte. Und dann gibt es da noch den gutaussehenden jungen Mann, dem sie täglich bei ihren Einkäufen begegnet … Diese britische Serie bringt die ZuschauerInnen zum Lachen und Schmunzeln und die Folgen gehen viel zu schnell vorbei: was will man mehr?

Ich habe die Serie im Original gesehen, zu den deutschen Synchronstimmen kann ich leider nichts sagen, aber für alle, die Spaß haben, Serien im Original zu sehen, „Love, Nina“ ist bereits auf DVD erschienen. Viel Spaß!

 

Trapped – Gefangen in Island

Guckt eigentlich noch irgendjemand Fernsehen? Kein Mensch, oder? Doch ich! Manchmal. Und es gibt immer wieder Entdeckungen. An diesen möchte ich Euch gerne teilhaben lassen und werde in lockerer Folge von meinen Fernsehhighlights berichten.

Heute : Trapped – Gefangen in Island. Eine isländische Krimiserie im ZDF, am Sonntag um 22 Uhr. Serienfans kennen diesen Sendeplatz, hier lief schon die dänische Serie „Die Brücke“ oder die britische Serie „Broadchurch“.  Aber – und das ist noch wichtiger, alle Folgen sind zeitgleich auch bis 19. Mai in der ZDF-Mediathek zu finden.

Regisseur Baltasar Kormákur, ein isländischer Regisseur, der in den letzen Jahren in Hollywood gearbeitet hat („Evererst“, 2015) und dessen neuer Film „Der Eid“ gerade in den deutschen Kinos läuft,  hatte die Idee und ist für diese Krimiserie in seine isländische Heimat zurückgekehrt. Und das hat sich gelohnt.

Gleich in den ersten Szenen erinnert mich der Hauptdarsteller Ólafur Darri Ólafsson an einen anderen Film, den ich vor vielen Jahren auf dem Emder Filmfestival gesehen habe. Und richtig. Ólafur Darri Ólafsson spielt in dem isländisch-norwegischen und oscarnominierten  Film „The Deep“ (2012) unter der Regie von Baltasar Kormákur (!) einen Fischer, der nach dem Kentern seines Fischerbootes im eiskalten Wasser stundenlang um sein Leben kämpft und wider jede Erwartung überlebt. Und sehr weit ist seine Figur auch in „Trapped“ nicht von dieser Haltung entfernt.

Der Chef der Dorfpolizei Andri (Ólafur Darri Ólafsson) und seine beiden Kollegen ermitteln  in einem Mordfall. Eine Leiche, oder besser eine halbe Leiche (Kopf und Gliedmaßen fehlen), wird von Fischern aus dem Meer gefischt. Gleichzeitig legt die Touristenfähre an und darf nicht wieder auslaufen, denn alle – Fahrgäste und Crew – sind verdächtig. Und tatsächlich verhalten sich weder der Kapitän noch sein erster Ingenieur besonders kooperativ.  Und auf der Fähre befindet sich ein junger Mann, Hjörtur Stefánsson, der in den letzten großen Fall im Dorf verwickelt war, bei einem Brand kam seine Freundin ums Leben, ein Verbrechen, das nach sieben Jahren immer noch nicht vergessen ist.

Andris Kollegen aus Reykjavik, die den Fall eigentlich übernehmen müssten, kommen wegen des schlechten Wetters nicht durch. Und Andri muss über sich hinauswachsen und (über-) menschliche Fähigkeiten entwickeln, um den Mord aufzuklären, er bewahrt die Ruhe und verliert bis zum Schluss seine Menschlichkeit nicht. Andris familiäre Situation ist auch nicht ohne. Er lebt mit seinen Töchtern bei seinen Schwiegereltern und seine Exfrau kommt mit ihrem neuen Partner, um die Mädchen nach Reykjavík mitzunehmen. Ähnlich stoisch wie das Wetter erträgt Andri diese beiden, die in sein Leben eindringen und es für immer verändern wollen. Als einer der Familienangehörigen des Mordes verdächtig wird, muss Andri entscheiden, wem seine Loyalität gilt.

Und dann zeigt die Serie, was man mit einem Schauplatz wie Island alles machen kann! Die Natur wird hier zum  Antagonisten, ein Schneesturm, Lawinen und ein zugeschneiter Pass sorgen dafür, dass das Dorf von der Außenwelt abgeschlossen ist. Einheimische, Touristen und mindestens ein Mörder sind eingesperrt. Jede Minute hindert das Wetter die drei Polizisten daran, ihren Job zu machen.

Natürlich geht es um die großen Themen, es geht um Menschenhandel und internationales Verbrechen, aber letztlich werfen die Morde alles auf das Dorf und seine Bewohner zurück. Die Tiefe erhält die Serie durch die Charaktere und Beziehungen im Dorf und nicht durch das internationale Verbrechen und die Globalisierung, die auch vor dem kleinen Dorf nicht halt machen.

All das ist extrem spannend und glaubwürdig erzählt. Der Regisseur, so heißt es, bereitet die zweite Staffel der Serie vor. Wir dürfen uns freuen! Unbedingte Empfehlung, aber Vorsicht: Suchtgefahr.

Trapped – Gefangen in Island. ZDF, Sonntag 22 Uhr  seit 19.2. bis 19.3. 2017 und bis 19. Mai in der ZDF-Mediathek.  https://www.zdf.de/serien/trapped-gefangen-in-island

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