Stoffentwicklung und Filmdramaturgie

Monat: Januar 2017

Zehn Fragen an Jörg Isermeyer

Jörg Isermeyer ist Schauspieler, Theaterregisseur, Musiker und Autor. Er schreibt Kinderbücher, Bilderbücher und Theaterstücke. Im Februar erscheint sein neuestes Kinderbuch: „Bastian und die Brüllbande“. Jörg lebt mit seiner Familie in Bremen.

 Auf welchen Wegen oder Umwegen bist du zum Schreiben gekommen?

Als ca. Zehnjähriger habe ich viel gelesen und wollte unbedingt Schriftsteller werden. Ich habe mir eine wilde Wildwest-Geschichte überlegt und losgelegt. Nach fünf Seiten habe ich gemerkt, wie anstrengend das ist … und meine Zukunftspläne geändert. Über Liedtexte und die Stückerarbeitungen (als Theaterregisseur) bin ich dann doch wieder beim Schreiben gelandet. Shit happens!

An welchem Projekt arbeitest Du gerade?

Ich habe jede Menge angefangene Sachen in der Schublade. Je nachdem, wie viel Zeit mir meine Musik- und Theaterprojekte lassen, hole ich eins hervor und versuche damit fertig zu werden (oder zumindest weiter zu kommen). Gerade liegt die letzte Überarbeitung eines Kinder-Theaterstückes an, dann will ich eigentlich mit einem Jugendbuch zu den Themen Geflüchtete/AfD etc./Wohnungspolitik weitermachen … aber vielleicht wird es doch erst ein neuer Bilderbuchtext. Wenn man da erst mal eine Idee hat, ist die reine Schreibzeit überschaubarer…

Wie sieht ein vollkommener Arbeitstag für Dich aus?

Bezogen aufs Schreiben: möglichst früh in die Gänge kommen und dann in den Fluss kommen. Wenn es gut läuft, bin ich nach 4 Stunden komplett ausgelaugt. Romanfiguren sind Vampire: um wirklich zu leben, müssen sie ihren Autor*innen das Blut aussaugen. Und den Rest vom Tag nutze ich dann für Dinge, die nicht ganz so viel Energie und Konzentration brauchen.

Was wäre aus Dir geworden, wenn Du kein/e Autor/in geworden wärst?

Als ich mein Abi in der Tasche hatte, wollte ich Clochard werden – keinen Bock auf Leistungsgesellschaft. Meine Eltern waren heilfroh, dass ich dann immerhin als Straßenmusiker durch die Gegend zog … Rockstar könnte ich mir also noch vorstellen, aber dafür habe ich bisher keine Stellenausschreibung gesehen.

Von wem oder durch was hast Du am meisten über das Schreiben gelernt?

Etwas Handwerkszeug über Schreibratgeber, etwas durchs Lesen, etwas durch die Theaterarbeit als Schauspieler und Regisseur, etwas durch meine Zeit auf der Straße (Leute beobachten und sich in sie hineindenken etc.) … vielleicht am meisten dadurch, dass ich immer wieder mit anderen Menschen zusammenarbeite und versuche, offen für Kritik und Anregungen zu sein. Wenn ich Schreib-Workshops gebe, scheint mir dass der häufigste Fehler zu sein: zu früh zu glauben, man sei am Ziel.

Das beste Buch über das Schreiben?

Keine Ahnung, ich hab nicht so viele davon gelesen. „Über das Schreiben“ von Sol Stein fand ich gut, aber ich habe kaum Vergleich.

Was tust Du außer Schreiben?

Musik und Theater – und dann habe ich noch eine Familie, die will auch etwas Zeit mit mir verbringen …

Dein aktuelles Lieblingsbuch?

Seit Jahren „Huckleberry Finn“ von Mark Twain. Ansonsten habe ich gerade die Krimis von Deon Meyer und die Romane von Martin Suter für mich entdeckt. Und von den Kinderbüchern empfehle ich „Doktor Proktors Pupspulver“ von Jo Nesbo (hätte ich gern selbst geschrieben – aber bloß nicht den Film gucken, der ist grauenvoll) und die „Maulina Schmitt“-Trilogie von Finn-Ole Heinrich.

Welchen Film hast du in letzter Zeit gesehen, der dir besonders gefallen hat?

Ich würde gern viel häufiger ins Kino gehen, aber die Zeit, die Zeit … daher ist meine Empfehlung nicht mehr ganz frisch: „Grand Budapest Hotel“. Tolle Story, tolle Bilder, tolle Schauspieler – mit einer Prise Selbstironie kann man sich auch wieder an die großen Gefühle und Entwürfe heranwagen.

Schreibblockade?

Es kann jedem/jeder passieren und es passiert auch jedem/jeder: die Schreibblockade. Getreu dem Leitspruch: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ (Otto Julius Bierbaum) möchte ich Euch mein Lieblingsvideo zum Thema präsentieren:

Ivan Kander und Ben Watts haben Ausschnitte aus bekannten Filmen zusammengestellt, die eindrücklich den Verlauf einer solchen Schreibblockade zeigen. Viel Spaß dabei!

https://vimeo.com/165015837

Meine besten Filme 2016

Zugegeben, das Jahr 2016 ist sowas von zu Ende, die Jahresrückblicke sind längst gelaufen, aber ich finde, auf die besten Filme 2016 darf man Mitte Januar noch mal kurz zurückblicken. In Zeiten von Netflix, Amazon und Co. lässt sich ja alles Versäumte leicht nachholen. Meine durch und durch subjektive Auswahl:

  • Raum (Irland/Kanada 2016): Oh Gott, ein Film über die Entführung einer Siebzehnjährigen und ihrer Gefangenschaft und ihrem Sohn, der in Gefangenschaft geboren wurde, sonst noch was? Das kann doch nur gruselig sein. Weit gefehlt. Drehbuchautorin Emma Donoghue, die auch die literarische Vorlage schrieb, und Regisseur Lenny Abrahamson haben alles richtig gemacht, heraus kommt einer der berührendsten Filme des Jahres, fern ab von Kitsch und Sentimentalität.
  • Toni Erdmann (Deutschland 2016). Darf nicht fehlen. Da bin ich mir mit so vielen positiven Kritiken ganz und gar einig. Eine sperrige, eigene Komödie mit einer wunderbaren Sandra Hüller, die zwischen Verletzlichkeit und Stärke hin und her brilliert. Buch und Regie: Maren Ade. Europäischer Filmpreis: Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch, Beste Darsteller (Sandra Hüller und Peter Simonischek)
  • 24 Wochen (Deutschland 2016). Noch ein Film, in dem eine Frau im Mittelpunkt steht. Julia Jentsch spielt die Hauptrolle großartig und ihr moralischer Konflikt um die Frage, ob sie ihr schwerbehindertes Kind auf die Welt bringt, lässt niemanden kalt. Und wer Bjarne Mädel bisher nur als urkomischen „Tatortreiniger“ kannte, wird von seinen dramatischen schauspielerischen Fähigkeiten als Ehemann und Vater des ungeborenen Kindes überrascht werden.
  • Spotlight (USA 2015). Ein Team von Journalisten der Zeitung „Boston Globe“ deckt den sexuellen Missbrauch von Kindern in der katholischen Kirche in Boston auf und enthüllt, wie durch die Versetzung der Priester die Verbrechen jahrelang von den Verantwortlichen vertuscht wurden. Ein spannender Film in bester Journalistenenthüllungsmanier. Wer „Die Unbestechlichen“ (USA 1976) immer wieder gerne ansieht, wird auch diesen Film lieben. Regie: Tom McCarthy, Buch: Tom Mc Carthy und Josh Singer. Oscar für den besten Film und das beste Originaldrehbuch.
  • Rico, Oscar und der Diebstahlstein (Deutschland 2016). Der beste Kinderfilm des Jahres und der dritte Teil der Rico und Oscar-Trilogie, die alle sehenswert sind, dank der großartigen Bücher über Rico und Oscar von Andreas Steinhöfel. Doch diesmal hat Oscar neben dem Krimiplot um den verschwundenen Stein aus Fitzkes Erbe und einer Verfolgungsjagd, die die Jungs bis an die Ostsee führt, noch ein ganz anderes Problem: mit seinem Vater Lars und dem berühmten grauen Gefühl. Rico erfährt, wie es sich anfühlt, wenn einen der beste Freund manipuliert. Oscars Vater Lars muss erwachsen werden und Oscar begreift, dass vielleicht auch Erwachsene eine zweite Chance verdienen. Buch: Martin Gypkens, Regie: Neele Vollmar

Welches waren Eure besten Filme für 2016? Ich freue mich auf Eure Meinungen!

 

 

 

 

Neue Drehbuchseminare in 2017

Pünktlich zum neuen Jahr 2017 gibt es zwei neue Drehbuchseminare, die ich in Zusammenarbeit mit dem Filmbüro Bremen anbiete.

Figuren entwickeln für Einsteiger und Fortgeschrittene

Jeder Film, ob Kurz- oder Langfilm, ob Kino – oder Fernsehfilm und jede Serie lebt von den lebendigen und glaubwürdigen Figuren, die im Mittelpunkt stehen. Mit ihnen gehen wir durch die Geschichte und sie bleiben in Erinnerung.
Wie entwickle ich glaubwürdige Figuren? Was ist ein Protagonist? Wozu brauche ich einen Antagonisten? In welchem Beziehungsnetz aus Verbündeten und Feinden agiert meine Hauptfigur? Welchen Konflikt hat meine Figur? Wie spricht meine Figur? Mit Hilfe von Übungen aus dem Kreativen Schreiben werden wir uns mit diesen Fragen beschäftigen, die neuen Erkenntnisse gleich in eigene Figurenentwürfe und Szenen umsetzen und die Texte gemeinsam lesen und diskutieren.

Aktuelle Termine jeweils montags von 19 – 21Uhr
6./13./20. und 27. Februar 2017
Ort: Filmbüro Bremen, Hinter der Holzpforte 1
Teilnahmegebühr 80€/ Filmbüro Mitglieder 70€
Die Anmeldung erfolgt über Saskia Wegelein: wegelein@filmbuero-bremen.de

 

workshop: stoffentwicklung für autoren

Einen Tag lang besprechen wir in einer kleinen Gruppe Eure Stoffe. Egal, ob Pitch, Exposé, Treatment oder Drehbuch, egal, ob Dokumentarfilm, Kurzfilm oder Spielfilm, jedes Entwicklungsstadium Eures Stoffes und jedes Format ist willkommen. Eine Woche vor dem Termin bekomme ich die Stoffe und versende sie an die anderen Autoren, damit alle alle Texte gelesen haben.

Jeder Stoff wird vom Autor kurz vorgestellt, dann haben wir bis zu 90 Minuten Zeit, um den jeweiligen Stoff zu diskutieren: Thema, Figuren, Plot, Dialoge, Zielgruppe und vieles mehr. Nicht nur die leitende Dramaturgin, sondern auch die anderen Teilnehmer und Teilnehmerinnen bringen ihre Fragen und Anregungen ein, um die Stoffe weiterzuentwickeln.

Kosten: 80 Euro, für Filmbüromitglieder ermässigt.

Termine: Samstag, der 25.2. 2017 von 10 bis ca. 18 Uhr

Ort: Filmbüro Bremen, Hinter der Holzpforte 1

Die Anmeldung  erfolgt über das Filmbüro Bremen, Saskia Wegelein: wegelein@filmbuero-bremen.de.

 

 

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