Stoffentwicklung und Filmdramaturgie

Kategorie: Film (Seite 2 von 2)

Sieben Minuten nach Mitternacht

„Sieben Minuten nach Mitternacht“ erzählt die Geschichte des zwölfjährigen Connor O’Malley (Lewis MacDougall), ein Junge, „zu groß, um ein Kind zu sein und zu klein, um erwachsen zu sein“. Connor hat gerade einen Haufen Sorgen. Seine krebskranke Mutter (Felicity Jones) erholt sich immer schlechter von ihren Behandlungen. Sein Vater, der mit seiner neuen Familie in Amerika lebt, ist eine magere Unterstützung. Seine grantige Großmutter (Sigourney Weaver), auf die seine Mutter immer öfter angewiesen ist, nervt. Und nicht zuletzt sind da noch die drei Mitschüler in seiner Klasse, die ihm jeden Mittag nach Schulschluss auflauern. Bis eines Tages, sieben Minuten nach Mitternacht, ein Monster vor seinem Fenster steht, um ihn zu holen. Das Monster bietet ihm einen Deal an, drei Geschichten wird es ihm erzählen, die vierte Geschichte wird Connor selbst erzählen und das wird die Wahrheit sein. Connor ist alles andere als beeindruckt. Er hat keine Zeit für Geschichten und seine Alpträume, die ihn jede Nacht aufwachen lassen, sind schlimmer als jedes Monster. Doch irgendetwas bringt ihn dazu, sich auf das Monster einzulassen, und das ist das Beste, was ihm passieren kann.

 

„Sieben Minuten nach Mitternacht“  ist die Adaption des gleichnamigen Buches von Patrick Ness. Schon die Entstehungsgeschichte dieses Buches ist besonders. Patrick Ness hat das Buch geschrieben, aber Siobhan Dowd hatte die Idee. Die erfolgreiche Kinderbuchautorin hatte schon die Figuren, ein detailliertes Exposé und den Anfang der Geschichte, aber ihre Krebserkrankung verhinderte, dass sie dieses Buch selbst zu Ende schreiben konnte. Patrick Ness hat nach ihrem Tod mit diesem Material weiter gearbeitet. Entstanden ist ein wunderbares, berührendes Buch (2011), zu dem er selbst das Drehbuch geschrieben hat. Der spanische Regisseur Juan Antonio Bayona zeigt mit seiner kongenialen Verfilmung, wie ein Film aussieht, der Kinder und Jugendliche ernst nimmt mit ihren Gefühlen, ihrer Realität und ihrer Phantasie.

Der Film bleibt ganz bei Connor, auf seiner Augenhöhe, bei seiner Perspektive, und erzählt mit Respekt von den Emotionen des Jungen, der nicht akzeptieren will, dass seine Mutter sterben wird. In ihm steckt jede Menge Wut und Verzweiflung. Und wenn das Monster ihm Mut macht, etwas zu zerstören oder sich endlich gegen seine Mitschüler zu wehren, begreift er selbst (und wir als Zuschauer), was ihn umtreibt.

Regisseur Bayona gelingt es nicht zuletzt mit Hilfe der fantastischen Kamerabilder, der gelungenen Ausstattung und den kunstvoll animierten Geschichten, die das Monster erzählt, tief in die Phantasiewelt von Connor einzusteigen. Außerdem zeichnet Connor seine Phantasiegestalten, seine Alpträume und das Monster, genau wie seine Mutter. Auf diese Weise hat der Film eine Ebene mehr als das Buch und verrät, welche Rolle Kunst in dem Prozeß der Auseinandersetzung mit existentiellen Themen spielen kann. Die Glaubwürdigkeit und Authentizität der Figuren im Umgang mit Trauer, Abschied und dem Loslassen einer geliebten Person überzeugen jede Filmminute. Was dabei herauskommt, ist ein berührender Film über einen Jungen, der gezwungen wird, sich seinen Gefühlen zu stellen, die ihn zum Schluss zu seiner eigenen Wahrheit führen.

Seit 4. Mai 2017 läuft der Film (Originaltitel: „A monster calls“) in Deutschland. Ab 19. Oktober 2017 ist die DVD erhältlich. Von der Filmbewertung wurde er mit dem Prädikat: Besonders wertvoll ausgezeichnet.

 

 

 

 

 

VeDRA: Wendepunkt 37

Pünktlich zur Berlinale, die gestern zu Ende ging, ist der neue Wendepunkt erschienen, die Zeitschrift von VeDRA, dem Verband für Film- und Fernsehdramaturgie.

  • Über das ThemaVirtual Reality – Erzählen in 360°“, die Dramaturgie in virtuellen Welten, berichten Roman Klink (VeDRA) mit einer Analyse der HBO-Serie „Westworld“ und Prof. Egbert van Wyngaarden (VeDRA).
  • Roland Zag (VeDRA), der sich gerade von der Heldenreise als dramaturgischem Prinzip verabschiedet hatte, stellt seinen neuen Ansatz vor: Dramaturgie der Systeme – Das neue Erzählen des Kollektiven.
  • Berichte von der FilmStoffEntwicklung 2016 für die Daheimgebliebenen
  • Jonas Ulrich (VeDRA) beschäftigt sich mit „Fiktionales Erzählen auf You Tube“ und erklärt, warum mit YouTube-Serien nicht viel Geld zu machen ist.
  • „Children of Tendu“. Dr. Markus Hedrich (VeDRA) schreibt über den berühmten Podcast von zwei amerikanischen Drehbuchautoren, die regelmäßig aus der Welt der TV- Serie und ihren Erfahrungen aus dem Writer‘s Room berichten.

Hier könnt Ihr die aktuelle Ausgabe herunterladen: http://www.dramaturgenverband.org/sites/default/files/news/wendepunkt/vedranl37.pdf

Schreibblockade?

Es kann jedem/jeder passieren und es passiert auch jedem/jeder: die Schreibblockade. Getreu dem Leitspruch: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ (Otto Julius Bierbaum) möchte ich Euch mein Lieblingsvideo zum Thema präsentieren:

Ivan Kander und Ben Watts haben Ausschnitte aus bekannten Filmen zusammengestellt, die eindrücklich den Verlauf einer solchen Schreibblockade zeigen. Viel Spaß dabei!

https://vimeo.com/165015837

Meine besten Filme 2016

Zugegeben, das Jahr 2016 ist sowas von zu Ende, die Jahresrückblicke sind längst gelaufen, aber ich finde, auf die besten Filme 2016 darf man Mitte Januar noch mal kurz zurückblicken. In Zeiten von Netflix, Amazon und Co. lässt sich ja alles Versäumte leicht nachholen. Meine durch und durch subjektive Auswahl:

  • Raum (Irland/Kanada 2016): Oh Gott, ein Film über die Entführung einer Siebzehnjährigen und ihrer Gefangenschaft und ihrem Sohn, der in Gefangenschaft geboren wurde, sonst noch was? Das kann doch nur gruselig sein. Weit gefehlt. Drehbuchautorin Emma Donoghue, die auch die literarische Vorlage schrieb, und Regisseur Lenny Abrahamson haben alles richtig gemacht, heraus kommt einer der berührendsten Filme des Jahres, fern ab von Kitsch und Sentimentalität.
  • Toni Erdmann (Deutschland 2016). Darf nicht fehlen. Da bin ich mir mit so vielen positiven Kritiken ganz und gar einig. Eine sperrige, eigene Komödie mit einer wunderbaren Sandra Hüller, die zwischen Verletzlichkeit und Stärke hin und her brilliert. Buch und Regie: Maren Ade. Europäischer Filmpreis: Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch, Beste Darsteller (Sandra Hüller und Peter Simonischek)
  • 24 Wochen (Deutschland 2016). Noch ein Film, in dem eine Frau im Mittelpunkt steht. Julia Jentsch spielt die Hauptrolle großartig und ihr moralischer Konflikt um die Frage, ob sie ihr schwerbehindertes Kind auf die Welt bringt, lässt niemanden kalt. Und wer Bjarne Mädel bisher nur als urkomischen „Tatortreiniger“ kannte, wird von seinen dramatischen schauspielerischen Fähigkeiten als Ehemann und Vater des ungeborenen Kindes überrascht werden.
  • Spotlight (USA 2015). Ein Team von Journalisten der Zeitung „Boston Globe“ deckt den sexuellen Missbrauch von Kindern in der katholischen Kirche in Boston auf und enthüllt, wie durch die Versetzung der Priester die Verbrechen jahrelang von den Verantwortlichen vertuscht wurden. Ein spannender Film in bester Journalistenenthüllungsmanier. Wer „Die Unbestechlichen“ (USA 1976) immer wieder gerne ansieht, wird auch diesen Film lieben. Regie: Tom McCarthy, Buch: Tom Mc Carthy und Josh Singer. Oscar für den besten Film und das beste Originaldrehbuch.
  • Rico, Oscar und der Diebstahlstein (Deutschland 2016). Der beste Kinderfilm des Jahres und der dritte Teil der Rico und Oscar-Trilogie, die alle sehenswert sind, dank der großartigen Bücher über Rico und Oscar von Andreas Steinhöfel. Doch diesmal hat Oscar neben dem Krimiplot um den verschwundenen Stein aus Fitzkes Erbe und einer Verfolgungsjagd, die die Jungs bis an die Ostsee führt, noch ein ganz anderes Problem: mit seinem Vater Lars und dem berühmten grauen Gefühl. Rico erfährt, wie es sich anfühlt, wenn einen der beste Freund manipuliert. Oscars Vater Lars muss erwachsen werden und Oscar begreift, dass vielleicht auch Erwachsene eine zweite Chance verdienen. Buch: Martin Gypkens, Regie: Neele Vollmar

Welches waren Eure besten Filme für 2016? Ich freue mich auf Eure Meinungen!

 

 

 

 

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